Konsequenzen aus dem IQB-Bildungstrend 2016: Sachunterricht durch Heimatkunde ersetzen

Jener IQB-Bildungstrend, in welchem Viertklässler in den Fächern Mathematik und Deutsch getestet wurden, hat ernüchternde Ergebnisse zu Tage gefördert. In Deutschland insgesamt haben sich die durchschnittlichen Leistungen der Grundschüler zwischen 2011 und 2016 in den getesteten Kompetenzbereichen deutlich verschlechtert. Im Ergebnis schneidet Rheinland-Pfalz im Bundesländervergleich in allen Kompetenzbereichen unterdurchschnittlich ab. Im Vergleich zum bestplatzierten Bayern sind die Leistungsdefizite rheinland-pfälzischer Schüler erheblich und entsprechen etwa einem halben Schuljahr Lernrückstand.

Ein großer Teil der rheinland-pfälzischen Grundschüler beherrscht in der vierten Klasse die wesentlichen Kulturtechniken nicht oder nicht ausreichend. Die Situation ist unbefriedigend: Fast ein Viertel unserer Viertklässler verfehlt bei der Rechtschreibung den Mindeststandard. Am Ende der Grundschulzeit scheitern sie an der Aufgabe, Wörter wie Mama, Milch und Mond alphabetisch zu ordnen.

Angesichts dieser Befunde müssen die bildungspolitischen Weichenstellungen in Rheinland-Pfalz dringend korrigiert werden. Ein „Weiter so“ wäre unverantwortlich gegenüber unseren Kindern und gegenüber unserem Land. Bildungsministerin Hubig hat den Reformbedarf anerkannt, als sie im Bildungsausschuss sagte, dass es „keine Denkverbote“ geben dürfe. Jetzt sind neue Konzepte gefragt. Und genau deshalb hat die AfD-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag einen Antrag eingebracht, der am 23. November 2017 im Plenum behandelt wurde. Titel des Antrags: „Konsequenzen aus dem IQB-Bildungstrend 2016: Sachunterricht durch Heimatkunde ersetzen.“

Natürlich ist die Forderung nach Wiedereinführung des Faches Heimatkunde nicht die einzige Konsequenz, die sich aus dem IQB-Bildungstrend ergibt. Die AfD-Fraktion hatte bereits in der Plenarsitzung am 26. Oktober 2017 in dem Antrag „Lehren aus dem IQB-Bildungstrend 2016: Klare Unterrichtsformen und regelmäßiges Üben statt weiter so“ eine Reihe an konstruktiven Vorschlägen in die Diskussion eingebracht. Darüber hinaus wird die AfD im Bildungsausschuss mehrere Berichtsanträge zur Aufarbeitung der Bildungsstudie stellen, damit am Ende eine Verbesserung der schulischen Leistungen in Rheinland-Pfalz erreicht wird.

Es muss wieder zur Aufgabe der Grundschule werden, die entscheidenden Kulturtechniken zu vermitteln: Lesen, Schreiben, Rechnen. Wenn diese Kulturtechniken nicht mehr hinreichend vermittelt werden, müssen andere, vielleicht wünschenswerte, aber zweitrangige Lernziele zurückstehen. Deshalb muss die von vielen Lehrern beklagte Überfrachtung der Grundschulen mit fragwürdigen Inhalten beendet werden. So sind beispielsweise weiterführende Schulen für das Erlernen von Fremdsprachen viel besser als Grundschulen geeignet, weil sie über dafür ausgebildete Lehrer verfügen. Zudem sind viele Unterrichtsinhalte nicht angemessen und altersgerecht.

Das gilt auch und insbesondere für den Sachunterricht. Dieser wurde im IQB-Bildungstrend 2016 keiner Überprüfung unterzogen. Angesichts des unterdurchschnittlichen Abschneidens der rheinland-pfälzischen Schüler bei einer gleichzeitigen erheblichen Verschlechterung in ganz Deutschland in den Fächern Mathematik und Deutsch sind jedoch starke Bedenken mehr als angebracht, ob der Sachunterricht altersgerecht und inhaltlich angemessen ist.

Man fragt sich, ob es angemessen ist, wenn im Teilrahmenplan Sachunterricht die Entwicklung von Staatsformen thematisiert wird, obwohl die Schüler in der Grundschule weder Sozialkunde noch Geschichte als eigenständiges Unterrichtsfach haben. Man fragt sich, ob es angemessen ist, wenn Schüler biologische, chemische und physikalische Zusammenhänge erschließen sollen, obwohl sie in der Grundschule weder Biologie, Chemie oder Physik haben.

Besonders bizarr wird es, wenn man sich den „Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung“ ansieht – ein Ergebnis des gemeinsamen Projekts der Kultusministerkonferenz (KMK) und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Es sollen schon in der Grundschule „grundlegende Kompetenzen für eine zukunftsfähige Gestaltung des privaten und beruflichen Le­bens, für die Mitwirkung in der Gesellschaft und die Mitverantwortung im globalen Rahmen“ erworben werden. Grundschüler, die in viel zu hohem Maße Probleme mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen haben, sollen demnach ohne ausreichende Vorkenntnisse den Klimawandel oder „alternative Möglichkeiten der Energiegewinnung“ behandeln. Es geht in diesem „Lernbereich Globale Entwicklung“ – so wird freimütig eingeräumt – „weniger um Wissensvermittlung als um handlungsorientierte Lernprozesse in Projekten, Rollenspielen und Begegnungen“. Geradezu realitätsfremd erscheint in Bezug auf die Grundschule die folgende Bestimmung: „Daher ist es Teil der pädagogischen Aufgabe von Lehrerinnen und Lehrern, vorgefasste Ur­teile und Weltbilder zu hinterfragen und durch Verunsicherung Offenheit für selbstbe­stimmtes Erkennen und Bewerten zu fördern.“ Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist eine solche Aufforderung nicht nachvollziehbar. In diesem Alter geht es darum, erst einmal Haltungen herauszubilden und nicht zu dekonstruieren. Der „Lernbereich Globale Entwicklung“ soll in den Grundschulen überwiegend in den Sachunterricht integriert werden, was für sich genommen schon eine Überfrachtung und Überforderung des Sachunterrichts bedeutet.

Fazit: Sowohl der Teilrahmenplan Sachunterricht als auch der „Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung“ entsprechen nicht einem angemessenen und altersgerechten Lehrplan. In der Grundschule geht es um Grundwissen und das bedeutet primär Kenntnisse der eigenen Landschaft, Gesellschaft und Kultur. Es geht hier um Orientierungswissen und mithin um die deutsche Leitkultur und regionale Identität. Verständnis und Zugang für andere Identitäten und Kulturen sind leichter zu gewinnen, wenn man das eigene Fundament kennt. Globale Themen sind in den weiterführenden Schulen besser aufgehoben.

Um dieser Einsicht Rechnung zu tragen, forderte die AfD-Fraktion in ihrem Antrag, dass der Sachunterricht in der Grundschule in Heimatkunde umbenannt und inhaltlich umgestaltet wird. Angemessen und altersgerecht sollte in den ersten beiden Schuljahren der erlebnisbetonte Stoff im Vordergrund stehen, der im Alltagsleben der Kinder eine Rolle spielt: Familie, Schule, Heimat. Ebenso angemessen und altersgerecht sollte es in der dritten und vierten Klasse um erdkundliche, naturkundliche, geschichtliche und volkskundliche Aspekte gehen.

Dazu gehört die Pflege von Bräuchen. Heimatkunde bedeutet in Rheinland-Pfalz zum Beispiel Kenntnisse über die Römer, die Kirchenbauten und ihre Geschichte oder den Rhein und die Geschichte der Binnenschifffahrt bis hin zu den ökologischen Folgen der Rhein-Begradigung. Solche Themen der Geographie und der Geschichte gewinnen durch den lokalen und regionalen Bezug an Anschaulichkeit und Verständlichkeit für Kinder aller Altersstufen, insbesondere aber für Grundschüler.

Neben der Allgemeinbildung sollte ein solcher Unterricht auch das Ziel einer Identifikation der Schüler mit der Heimat verfolgen und damit der Verfassung von Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 – zuletzt geändert am 8. Mai 2015 – entsprechen, in der es in Artikel 33 heißt:

„Die Schule hat die Jugend … zur Liebe zu Volk und Heimat … zu erziehen.“

An die Bedeutung von Heimat gerade in der heutigen, globalisierten Welt erinnert die „Pariser Erklärung“, die am 7. Oktober 2017 von Intellektuellen aus zehn europäischen Ländern veröffentlicht wurde. Hier heißt es:

„Heimat ist ein Platz, an dem die Dinge vertraut sind und wir wiedererkannt werden, egal wie weit wir umhergewandert sind. Das ist das echte Europa, unsere wertvolle und unersetzliche Zivilisation und Kultur. … Ein guter Staatsmann erkennt unser gemeinsames europäisches Erbe und unsere nationalen Traditionen als wunderbar und lebensspendend an, aber ebenso als zerbrechliche Geschenke. Er lehnt dieses Erbe nicht ab oder setzt es für utopische Träume aufs Spiel.“

Die AfD forderte daher in der Plenarsitzung die Landesregierung ganz konkret auf,

erstens den Sachunterricht in der Grundschule in Heimatkunde umzubenennen und inhaltlich so umzugestalten, dass angemessen und altersgerecht erdkundliche, naturkundliche, volkskundliche und geschichtliche Aspekte der Heimat vermittelt werden;

zweitens die Einbeziehung von Elementen aus dem „Lernbereich Globale Entwicklung“ auch in den anderen Fächern der Grundschule auszusetzen, um eine unnötige Überfrachtung zu beenden und

drittens im Rahmen der Kultusministerkonferenz dafür zu werben, dass auch andere Bundesländer dem Beispiel von Rheinland-Pfalz folgen und den „Lernbereich Globale Entwicklung“ nicht in der Grundschule behandeln, weil die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends in Deutschland insgesamt unbefriedigend waren.

Der Antrag wurde mit den Stimmen von SPD, Grüne, CDU und FDP abgelehnt. Besonders bemerkenswert ist das Abstimmungsverhalten der FDP, die auf eine eigene Stellungnahme verzichtete. Sie ließ sich von Daniel Köbler (Grüne) vertreten, der für alle drei Regierungsparteien sprach.

Die Ablehnung unseres Antrags ist bezeichnend für die Beliebigkeit der rheinland-pfälzischen FDP. 2010 war es nämlich gerade die FDP gewesen, die in Rheinland-Pfalz die Einführung des Faches Heimatkunde an Grundschulen gefordert hatte. Die FDP lehnte heute also ihre eigene Forderung ab“, kommentierte Martin Louis Schmidt, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, der den Antrag im Plenum vorgestellt hatte. Fraktionsvorsitzender der FDP war 2010 übrigens der jetzige Justizminister Herbert Mertin gewesen. Schmidt weiter: „Die FDP ist ein Garant der Unzuverlässigkeit. Gestern noch für Heimatkunde, heute nur ein Anhängsel der rot-grünen Landesregierung. Wer meint, dass durch Christian Lindner ein frischer Wind durch die FDP weht und das Profil geschärft wird, der ist auf dem Holzweg.

Martin Louis Schmidt ist fachpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz für die Themengebiete Kultur, Geschichte, Regionalpartnerschaften und Tourismus sowie Aussiedler, Vertriebene, Auslandsdeutsche.